Spirituosen aus Japan haben in Bezug auf ihre Qualität und den Genuss zur Weltspitze aufgeschlossen. Das erstaunt, denn früher war der Slogan „good and cheap“ ihr Verkaufsargument. Was ist ist passiert, warum gibt es plötzlich Whiskys von Nikka mit höchsten Auszeichnungen, gesuchte japanische Craft-Gins und anspruchsvollen Sake?

Whisky:

Japan vs. Schottland

 

Zu Whisky aus Japan würde der traditionelle Schotte wahrscheinlich sagen, dass die Japaner den schottischen Whisky kopieren (möchten). Und damit hat er auch gar nicht so unrecht, denn die Japaner kamen tatsächlich nach Schottland und lernten dort alles über die Herstellung von Whisky.
Dadurch waren sie dann in der Lage, das Gelernte zuhause umzusetzen und Whisky zu produzieren. Doch wenn die Japaner was produzieren, dann passiert es ganz oft, dass sie den ganzen Herstellungsprozess perfektionieren.
Der Master Distiller in Schottland meint zum Thema Weiterentwicklung und Experimentieren sinngemäss: «Why would you want to change something that’s so good?», soweit so gut.

Herstellung und reifeprozess

Doch wenn wir die letzten 20 Jahre anschauen, dann finden wir: 2001: 10 Jahre Yoichi Single Malt «Best of the Best» im Whisky Magazine. 2003: 12 Jahre Yamazaki «Gold» bei der International Spirit Challenge. 2005, 08, 09 und 10: The Yamazaki 18 «Doppel-Gold» bei den SF World Spirits Competition. 2007 und 08 Hibiki 30 Jahre – «Bester Blended Whisky der Welt» bei den World Whiskey Awards. Was war passiert? Drei Faktoren sind für diese Erfolge entscheidend. Im Grundsatz haben die Japaner ein besseres Verständnis was die Herstellung von Spirituosen betrifft. Dann sind sie sehr experimentierfreudig wie z.B. unterschiedliche Pot Stills zu verwenden, um unterschiedliche Stile in einer Destillerie zu produzieren, oder den Einsatz von unterschiedlichen Hefen. Und schlussendlich ist es im Vergleich zu Schottland in Japan vom Klima her wärmer und tropischer. Der Reifungsprozess schreitet wesentlich schneller voran, da die Arbeit zwischen dem Alkohol und dem Holz bei höheren Temperaturen und Luftfeuchtigkeit deutlich intensiver ist. Als Ergebnis kann ein 10-jähriger Japaner den Reifegrad einer 15-jährigen Schotten haben, verglichen werden aber meistens je ein 10-jähriger und der Japaner gewinnt dann locker.

Doch schlussendlich haben die Weiterentwicklungen und verschiedenen Einflüsse auch ihr Gutes: Ein geübter Whiskygeniesser kann heute einen Whisky aus Japan leicht von einem aus Schottland unterscheiden. Also gute Qualität mit verschiedenen Stilen aus beiden Ländern und nicht einfach eine Kopie.

Gin: Botanicals neu definiert

Im Zeitalter der tausend Gins kann man die berechtigte Frage stellen, warum nun eine Nation wie Japan, die für filigrane Arbeit im Spirituosen-Bereich bekannt ist, nun auch im Wacholder-Business mit den üppig-öligen Aromaeindrücken mitmischen muss. Zwei Gründe sprechen dafür, dass dies nicht nur eine gute Idee ist, sondern eine echte Bereicherung. 
In der Masse der heute fast täglich neu auf den Markt kommenden Gins  erleben wir allzu häufig Gins, die in der Nase schlicht umhauen, da massenhaft Botanicals verwendet wurden. Am Gaumen kommt dann die Enttäuschung, da kein Verständnis für gesamtheitliche Komposition von Spirituosen vorhanden ist.

Die Erfahrung mit der Herstellung von Spirituosen aller Art erlaubt es den Japanern Gins zu produzieren, die eine derart perfekte Linie von Nase zu Gaumen aufweisen, dass es nicht einfach ist, diese Qualität im Rest der Welt zu finden. Dann kommt dazu, dass die Japaner nicht einfach die Rezepte der bewährten Marken der Gin-Welt übernommen haben, sondern durchaus stolz mit ihren einheimischen Botanicals arbeiten. Dies führt in der Konsequenz zwar nicht zu besseren Aromen, jedoch einfach zu anderen Aromen, was wiederum eine klare Bereicherung für den Gin-Geniesser ist. Hier eine kleine Auswahl der in Japan verwendeten Botanicals: Amanatsu, Shīkuwāsā, Kabosu, Sansho-Pfeffer, Hinoki, Rote Shiso-Blätter, Orris, Yuzu, Gyokuro-Tee, Kinome und schwarzer Yonaguni-Zucker – klingt alles spannend und möchte man am liebsten gleich probieren.

Sake: Getränk der Kaiser

Kopievorwürfe an die Adresse der Japaner sind beim Sake wohl nicht angebracht, denn was ist japanischer als Sake. Wir lassen den industriell produzierten Sake, bei dem neben Reis auch Kleie und Trester sowie Alkohol, Säuerungsmittel, Glukose und Glutamat verwendet wird, bewusst auf der Seite. Es geht ausschliesslich um Premium-Sake, der nur aus Reis und Wasser gebraut und von japanischen Ministerien streng klassifiziert ist: «Junmai» bedeutet Reis pur, was einem Reinheitsgebot entspricht. Viele Sake-Brauer verwenden dafür regionalen Reis, der das Terroir repräsentiert. Junmai ist kräftig, aromatisch und vollmundig und macht etwa zehn Prozent der Gesamtproduktion aus. 

Ein weiterer wichtiger Faktor ist der Poliergrad der verwendeten Reiskörner: Die Hülle wird in einer Zentrifuge abgeschliffen, mit ihr die Proteine und Fette, und nur der stärkehaltige Kern bleibt übrig. Je kleiner dieser ist, desto feiner, aromatischer und kostbarer wird der Sake. «Daiginjo» heisst die höchste Qualitätsstufe beim Polieren und um diese zu erreichen, muss das Reiskorn so lange poliert werden, bis mehr als die Hälfte seines Körpers abgeschliffen ist. So entsteht ein Geschmack, den man neben salzig, sauer, süss und bitter auf der Zunge erkennt, nämlich Umami – beschrieben als fleischartig, angenehm herzhaft und vollmundig. Durch die Hefe entstehen dazu während der Gärung intensive Aromen, die wunerschöne Eindrücke von Apfel, Birne, Ananas, Litschi, Veilchen, Rose und Kirsche vermitteln.

Somit ist Sake eine einzigartige Kombination von Geschmacks- und Geruchsreizen auf der Zunge und in der Nase. Darum sehen immer mehr Gastronomen, auch europäische, Sake als perfekten Essensbegleiter. Zu Vorspeisen der zeitgenössischen Küche serviert man den aromatischen frischen Sake, zu den Hauptspeisen oder zum Dessert vollmundigen mit viel Umami. Und ob warm oder kühl, das hängt dann vom jeweiligen Sake ab und ist ein weiteres grosses Thema.

Ob Sake, Whisky oder Gin, es lohnt sich auf alle Fälle für den Geniesser von anspruchsvollen Spirituosen
seinen Horizont bis in das Land der aufgehenden Sonne zu erweitern.